Leben ist Bewegung. Die Formensprache der Natur erfüllt mir jeden Wunsch. Es ist die pure Manifestation der Essenz. Das Prinzip der Schönheit hört auf zu existieren, da alles sich wie ein Wunder anfühlt. Die Betrachtung des Blattes, der Raupe, des Adlers in seinem Flug. Die Welle der Meeres, die kommt und geht, den Atem des Meeres in sich tragend. Lebendigkeit als Manifestation der unbegreiflichen Faszination der Natur.
Dania Neumann
Bewegungsanalytikerin.
Ich arbeite seit 20 Jahren als Bewegungsanalytikerin in privater Praxis im In- und Ausland (Focus: Psychosomatik, Depression- Burnout, Co-Abhängigkeiten ecta.) Einzeltherapeutisch und mit Gruppen – als Fortbildnerin in verschiedensten Institutionen (wie etwas Institut für Angewandte Psychologie, Lissabon), als Ausbildnerin und Lehrtherapeutin für das Institut für Bewegungsanalyse, Schweiz. Vorträge, Seminare und Workshops in verschiedensten Institutionen auf Kongressen und Tagungen (Portugal, Spanien, Österreich, Australien…)
Mein Hauptanliegen ist die Förderung des Verständnisses von zwischenmenschlicher Beziehung, von der Beziehung zwischen Körper, Geist und Psyche, der Beziehung des Menschen zu seiner Umwelt, der Akzeptanz von Vielfalt und Andersartigkeit, der Verbindung von Natur und Kultur und des Erlebens synergetischer Prozesse.
Kontakt: Web: www.danianeumann.com Mail: info@danianeumann.com
Einer meiner Plätze, wo die Hand des Menschen noch nicht eingegriffen hat, ist der Strand an der Seite des westlichsten Punktes Europa.
Ursa. Die Bärin. Ein riesiger kalkerner Felsen, der die Form einer Bärin anzeigt. Die Bärin, die vor ein paar Monaten ihr Gesicht verloren hat. Die Gewaltigkeit des Meeres hat sich manifestiert, der Felsen ist gebrochen und hat seine Form verändert.
Auf dem Weg zur Ursa komme ich im Frühling an einem Blütenmeer vorbei. Die Pflanzen nennen sich Chorões – die Weinenden. Die Weinenden haben wunderbare Blüten in mindestens drei bis vier Farben. Gelb, Pink und Orange, Lila. Ich liebe diesen Weg oder den ins Meer hinabfallenden Klippen. Es ist mein Habitat hier in meiner Wahlheimat. Nirgends fühle ich mich mehr zu Hause als hier, in der ungezähmten Natur.
Über zwanzig Jahre kenne ich den Ort. Menschen gehen und sehen vielleicht nicht, daß sich am selben Weg immer wieder Veränderungen bemerkbar machen. Auch wenn sich bei oberflächlicher Betrachtung alles ähnlich anfühlt, so ist spürbar und sichtbar, daß nichts niemals gleich bleibt. Die selben Felsen leuchten in ähnlichen Farben und doch nicht. Der Strand verändert sich.
Es gab Zeiten, als nur Steine dalagen, wunderbare weiße, schwarze, graue, braune, rötliche Steine. Kugelsten und Flachsteine in alles möglichen Formen. Ich mag Steine. Verdichtete Materie, die unbeweglich erscheint und doch in Bewegung ist, lediglich anderen Zeiten entsprechend.
Wenn ich in diesen herrlichen Felsen klettere, in den Klippen, über dem wilden Atlantik, fühle ich mich als winziges Etwas und weiß, daß ich mit allem in Verbindung bin. Achtsamkeit ist notwendig, Kontrolle wird unsinnig, fühlt sich geradezu lächerlich an.
Wenn ich lerne meine Bewegungen aus meinen Selbst entstehen zu lassen, ist das eine Erfahrung, die mir sagt: du lebst; dein Schmerz hat sich aufgelöst; doch zuerst mußtest du fühlen um mit dir selbst und somit mit etwas Größerem als du selbst in Kontakt zu kommen.
Jeder Zwang fällt dann ab und fühlt sich unsinnig an. Wenn ich mich an die Felsen schmiege, ist es, als würde ich meinen Körper modulieren, weiterführen, dorthin wo sich verdichtete Materie an dichter Materie reibt. Zu Gunsten der Schwerkraft erschaffen wir eine Illusion der Anhaftung. Doch ein Kontakt muß keiner Anhaftung entsprechen. Ein Kontakt ist da um der Verbindung und Vernetzung gewahr zu werden.
An einem dieser Tage, die im Herbst wie Hochsommer anmuten und die den Menschen aus der Stadt treiben, da die Hitze den Atem raubt, an einem dieser Tage sind wir am Abend den Weg gegangen. Hinab zur Ursa. Sie hatte bereits ihr Gesicht verloren, doch wer sollte darüber klagen?
Wir haben die Dunkelheit beim Hinabklettern als Aufforderung zum Fühlen empfunden. Meine Füße mußten spüren, wo sie auftraten, unsere Körper wurden fühlbar und das Denken war nur ein Teil der Empfindung; wir hätten sonst das Gleichgewicht verloren und wären in den freien Flug übergewechselt, etwas was nicht anzuraten ist, ohne der Ausstattung von gewachsenen Flügeln. Den realen Kontakt erfahren, das was ist. Jetzt. Die Gegenwart. Harter Fels, rutschige Erde, Wurzeln, Steine, Pflanzen, vertrocknete Gräser. Sterne am Himmel sichtbar, ein neuer Mond.
Anpassung an die Gegebenheit. Fühlen, denken, beabsichtigen; der jeweilige Impuls einen Fuß vor den anderen zu setzen und die Arme und Hände zur Verfügung zu haben um sich anzuhalten und abzustützen. Ein steiler Weg im Dunkeln unter den Sternen. Hinunter zum Strand, der sich immer wieder anderes ausbreitet.
Die Ursa, die ihr Gesicht verlor und umso stolzer in den Himmel ragt. Es hat sich aufgehört ihre Form zu benennen. Jeder Gedanke weshalb eine Legende um einen Felsen entstand, wird überflüssig.
Präsenz ist gefragt, um den Moment zu erleben wie er ist. Intensiv heraußfordernd, riskant.
Als wir ankamen, setzten wir uns und waren froh da zu sein. Recht lange wechselten wir keine Wort mehr. Wir verstummten unter dem Sternenhimmel. Nacht wie sie sein soll.
Wir waren bereits in unsere Schlafsäcke geschlüpft, als ein großes dunkles Etwas über unsere Köpfe zum Felsen hinter uns flog. Weite Schwingen. Eine Eule, ein Seeadler? Er blieb auf dem Felsen sitzen, bis wir erwachten. Wir sahen den Vogel in der Morgendämmerung fortfliegen, ins Meer hinauß. Es war ein Seeadler.
Hätte ich Flügel, würde ich mich auch erheben und über das Meer hinaußfliegen. Bei der Betrachtung des Vogels, fühle ich Leichtigkeit. Je schwerer mein Körper im Sand aufliegt, desto leichter fühle ich mich.
Ein Morgensprung in den Atlantik und es ist wie neu geboren zu werden. Ich weiß, daß jeder Moment, eine Neugeburt bereit hält, wenn ich dafür empfänglich bin. Ein Jauchzen ist es, das mir entweicht, wie der Schrei des Vogels vor dem Flug. Leben ist wunderbar. Es ist herrlich lebendig zu sein und das Gefühl zu haben Nichts verändern zu müssen. Da alles wie es ist, perfekt ist.
Die unbezähmbare Natur in ihrem Chaos, das sich als Formensprache geordnet präsentiert, hat es mir angetan. Ich will da nicht eingreifen – Lediglich da sein und Staunen.
Das ist es, was ich als mein Biotop verstehe.
Am 26. November 2011 von Albert
Kategorie: Autor(inn)enbeitrag, Lebensraum Naturgarten, Stil - Lebensstil
eine intensive, sinnliche Beschreibung…