Schutz – Erholung – Erziehung

Naturgarten – ein vielfältiges Vergnügen, von Helga Riepl

Schmetterling-Helga-RieplDas Schönste an Naturgärten ist, dass bereits ein Blumentopf auf der Fensterbank mit ein bis zwei Wildpflanzen, ein „Miniversum“ – und nach meiner Definition – somit einen Mini-Naturgarten darstellt.

Riepl Helga
Als Steirerin, geb. 1969, seit Jahrzehneten in Maria Saal ansässig, zunächst bedingt durch den Besuch der HBLA Pitzelstätten, danach der Liebe wegen. Mutter von fünf Kindern. Abgeschlossene Ausbildungen: Fachlehrerin für ländliche Hauswirtschaft, Seminarbäuerin, Schule am Bauernhof, Permakultur-Design-Kurs. Derzeit mit Familie und ca. 2000 m² Nutz-Ziergarten (400m² Gemüse) hauptberuflich beschäftigt, daneben Erfahrungssammlung in Pflanzenzucht, Folientunnelbewirtschaftung und Samenvermehrung. Vorträge über Naturgartenpraxis.

So können sich auf einer Ackerkratzdistel vierzig verschiedene Insektenarten, Schmetterlinge, Schwebefliegen, Wanzen und räuberische Wespenarten einstellen. Brennnesseln bieten sogar bis zu siebzig Insekten und Schmetterlingen Unterschlupf und Nahrung. Oder beim Lüwenzahn: hier wurden bis zu 72 Wildbienenarten gezählt, die Nektar und Pollen sammeln.

Naturgarten ist ein Überbegriff für biolgisch, ohne Einsatz von chemischen Giften bearbeiteten Boden. Dies ermöglicht eine große Artenvielfalt, in Fauna und Flora und die Bewirtschaftung erfolgt im Einklang (Klang) mit der Natur, welche einen Kreislauf – von der Saat über die Ernte bis zu Verrottung – bildet. Die Permakultur ist eine der vielen Umsetzungsmöglichkeiten, einer solchen Zirkulation. Eine etwas 80-jährige Oberkärntnerin hat dazu bei einem meiner Vorträge zusammenfassend festgestellt: „So haben war das früher ja auch alles gemacht!“

Vorweg muss gesagt werden, dass ein Naturgarten nicht zwangsläufing mit „Unordnung“ oder „Verwilderung“ gleichzusetzen ist. Bauerngärten kombiniert mit gemüse, Obst, Kräuterspirale oder Blumenrabatten (mit artenreicher Bepflanzung) können durchaus „ordentlich“ angelegt werden.

Schwachwüchsige Kletterpflanzen können auch einer bestehenden Thujenhecke mehr Leben einhauchen. Dürfen über den Winter ein paar Samenstände im Blumenbeet überdauern oder sogar an einigen Stellen (z.B. unter den Sträuchern) das Laub liegen bleiben, wird ein großer Beitrag zugunsten von vielen (nützlichen) Tieren wie Marienkäfer, Schmetterlingspuppen, Vögel oder Igel geleistet. Wasser ist ebenfalls eine wichtige Voraussetzung für ein solches Naturparadies. Egal, ob es nur Feuchtstellen sond oder ob es ansprechend als Biotop gestaltet wird.

Eine wichtige Unterstützung, um in Harmonie mit der Natur zu arbeiten, ist, auf die Himmels- und Windrichtung zu achten. Auch muss das vorherrschende Klima einkalkuliert werden, um Energie optimal zu nutzen.

Meine Schwester und ich hatten als Kinder einen kleine Garten unter einem Walnussbaum in Nord-Ost-Hanglage. Trotz liebevoller Pflege hatten die Gemüsepflänzchen im Sommer noch immer die gleiche Größe wie im Frühjahr. Wir beide waren aber hartnäckig und versuchten es jedes Jahr aufs Neue. Einzig der gepflanzte Fliederstrauch wuchs kräftig, blühte aber nicht sehr übbig. Mit meinem heutigen Wissen würde ich an der stelle eine „Erholungsinsel“ mit robusten Schattenpflanzen und Sitzgelegenheit schaffen, denn ein Garten soll natürlich auch  – nach getaner Arbeit – zur Entspannung oder überhaupt zur Regeneration genutzt werden.

Seitdem der Mensch sesshaft geworden ist, baut er Pflanzen für seine Bedürfnisse an. Gemüsepflanzen sind über die Jahrtausende hochgezüchtet worden, damit sie schmackhafter sind, deshalb bracuhen sie auch mehr Pflege als Wildpflanzen. Durch Mischkulturen und Mulchen kann die Pflege speziell des Gemüsegartens sehr erleichtert und auf ein Mindestmaß reduziert werden.

Um den Boden gesund zu erhalten, ist es notwendig, gewisse Regeln zu beachten. Eigens erstellte Pflanzenpläne helfen, den Überblick zu bewahren. In den letzten Jahrzehnten ist der Gemüsegarten immer mehr in Vergessenheit geraten. Gemüse wurde zum Massenprodukt, mit EU-genormten Maßen. Erst allmählich beginnt ein Umdenken, vor allem, weil selbstgezogenes Gemüse aufgrund seines besseren, individuelleren Geschmackes wieder in den Gourmetküchen Einzug gehalten hat.

Langfristig wird eine Unabhängigkeit erreicht, wenn eigenes Saatgut, Pflanzen und selbst produzierte Nahrung (die sich bei eventuellem Überschuss regional verkaufen lassen) ohne Belastung für den Boden hergestellt werden.

Ein wichtiges Thema im Naturgartenbereich ist das Wissen um die Vermehrung der Pflanzen. Der „Agrarrebell“ Sepp Holzer ist der Meinung, statt Pflanzen vom Aussterben zu schützen, wäre es wichtiger zu lehren, wie sie vermehrt werden können. Seit über zehn Jahren sammle ich Erfahrungen in der Samenvermehrung, hauptsächlich von Tomaten. Dieses Thema erlangt immer mehr Bedeutung, weil viele alte Pflanzensorten in Vergessenheit geraten oder ausgestorben sind. Regionalsorten kommen mit dem jeweil vorherrschenden Kleinklima besser zurecht als Einheitssorten (z.B. Gailtaler Mais, Kärntner-Steirisches Gebirgskraut usw.). Aber auch bei der zunehmenden Allergieproblematik wird eine Pflanzen- und vor allem Sortenvielfalt immer wichtiger.

Der Hinweis darauf, seinen Garten natürlicher zu bewirtschaften, kann nur als Denkanstoß dienen. Ein Umdenken – welches im Laufe der Zeit meist auf alle Lebensbereiche übergreift – findet zeitgleich mit dem Bewusstwerden der Zusammenhänge statt. Wenn plötzlich unterschiedlichste Schmetterlinge das „Paradies“ aufsuchen oder andere, bisher unbekannte tierische Lebewesen auftauchen, und die sogenannten Schädlinge als ein Teil der Nahrungskette verstanden werden, beginnt der Naturgarten zu wachsen.

2002 lernte ich den Herausgeber des Buches (Das Herz von Kärnten…) kennen. Bei der Besichtigung des Keutschacher Kalksteinbruches erfuhr ich von seiner Vision und seinen Vorstellungen, diesen zu bepflanzen. Er sprach dabei über (Duft, Aroma) die Düfte, welche sich darin fangen und ausbreiten, ich konnte mir zu dieser Zeit aber noch kein Bild davon machen.

Einige Tage später, kam mir eine kleine Begebenheit zu Hilfe: Ich unternahm mit meiner Familie eine Wanderung durch den Kesselwasserfall bei Semriach in der Steiermark. Als wir die Klamm betraten, waren wir plötzlich von einer bezaubernden Duftwolke – sie stammt von Zyklamen – umhült. In dem Moment verstand  ich, welch großartige Möglichkeit durch die topographische Lage in besagtem Steinbruch gegeben ist.

Der Kreis schloss sich also: Der Naturgarten ist für alle Sinne! Der Anblick erfreut das Herz, der Duft betört, (der Klang) das Stimmengewirr (Vögel, Frösche, Grillen…) beruhigt, das ausgereifte Gemüse und Obst sind eine Gaumenfreude und auch die Tätigkeit in der freien Natur entspannt und stellt einen Ausgleich zum Alltag dar.

Durch meine pädagogische Ausbildung habe ich die Möglichkeit, eigene Kurse zum Thema „naturgartenpraxis“ anzubieten. In vier Abenden versuche ich, meine reichhaltige Praxis interessierten Gartenbesitzern zu vermitteln.

Folgende Theman werden in der Kursreihe behandelt:
1.
– Begriffserklärungen (Naturgarten, Biogarten, Permakulturgarten),
  – Der Boden: Anleitung zum Kennenlernen des eigenen Bodens, Bodenverbesserungsmaßnahmen
– Der Kompost: Kompstplatz, Bereitung des Komposts, Anwendung
– Pflanzenjauchenbereitung und deren Anwendung
2.
– Verschiedene Beete (Schichtmulchbeet, Hügelbeet, Hochbeet, Kraterbeet, Kräuterspirale, Mini-Biotop) – aufbau, Vor- und Nachteile
3.
– Der Gemüsegarten
– Praxis Mischkultur und Mulche
– Gründüngung
– Gartenpläne, praktische Anwendung
4.
– Schädlinge im Garten: Vorbeugen, natürliche Bekämpfung
– Brühen und Tees zur Schädlingsbekämpfung: Herstellung und Anwedung

Als eine Facette eines funktionierenden Naturgartens kann das Projekt PEEL (Pflege Erde Ernte Leben), in Ebenthal bei Klagenfurt bezeichnet werden. Es wurde 2000 von Franz Widowitz ins Leben gerufen, um Schulkinder (vorzugsweise Volksschüler) die Möglichkeit zu geben, für eine Vegetationsperiode auf „ihrem“ für diese Zeit gepachteten Grundstück Bauer und Gärtner zu sein.

Zusammen mit den jeweiligen Klassenlehrern erteilen fachbezogene Projekt-Mitarbeiter Unterricht. Auch 2008 nahmen wieder fünf Klassen am Projekt teil, und eine Interessensgruppe Namens Interkulturelles Gärtnern baut am PEEL-Grundstück ihr Gemüse an. In der Vergangenheit gab es ein generationsübergreifendes Projekt mit Senioren aus einem Pflegeheim und Volksschülern. Ebenso machte eine Gruppe mit geistig behinderten Jugendlichen mit. Viel Freude hatten auch gehörlose Kinder einer Volksschulklasse, sie waren sehr gewissenhaft und begeistert bei der Arbeit.

Als eine besonder Herausforderung wurde im Vorfeld die Arbeit mit verhaltensauffälligen Integrationsschülern bewertet. Als diese Klasse zum ersten Mal auf das Feld kam, fiel mir ein Junge auf, welcher mit größter Sorgfalt und Liebe die Samen auslegte. Auch beim Auspflanzen stellte er sich sehr geschickt an und er konte komplizierte Zusammenhänge erkennen und alle (ihm vorher fremde) Namen der Pflanzen benennen. Dieser – wie ich von der Lehrerin erfahren hatte – verhaltensauffällige Schüler wurde durch die Natur ruhig und wurde von seiner Lehrerin nicht „wiedererkannt“.

Dieses Projekt schließt an die Projektidee an, wonach Jugendlichen unter Aufsicht ein Freiraum (ungenutzter Grund, „Gstättn“) zur Verfügung gestellt wird, um eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung (Gestaltung von Baumhäusern, Lagern, Spielplätzen etc. ) zu verschaffen. Dies ist eine sehr praktikable Lösung, um jungen Menschen Alternativen zu bieten, Gleichaltrige zu treffen und die Natur zu genießen.

Hier kann der Naturgarten positiv auf einen Entwicklungsschritt zum Erwachsenenleben einwirken, und es ist kein Geheimnis, dass sich Jugendliche mit sinngebender Freizeitbeschäftigung hinsichtlich sozialer Intelligenz besser entwickeln und Ersatzhandlungen mit Zigareten und/oder Alkohol eher ablehnen.

So passt sich der Naturgarten seinem Gestalter an, aber auch jeder Gestalter soll sich der Natur anpassen. Diese gelebte Toleranz wird vielleicht auch weiter getragen und kann das persönliche Umfeld (Arbeitsplatz, Familie) beeinflussen. Ganz nach dem Motto: Wer einen Garten besitzt, hat alles was er bracuht.“ (Cicero)

Diesen  Beitrag entnahm ich aus dem Buch „Das Herz von Kärnten – Vom Steinbruch zur Naturgartenvision“ und wurde von der Autorin auch für dieses Blog freigegeben.

1 Kommentar zu “Naturgarten – ein vielfältiges Vergnügen, von Helga Riepl”

  1. […]  Helga, ist mehr als nur eine Gärtnerin, sie forscht, fotografiert und zeichnet Pflanzen, eine Gabe wie es selten jemand hat. Helga ist aber in erster Linie Familienmensch und das fasziniert mich immer wieder auf´s Neue “wie macht Helga es”, wie bringt Helga das alles unter einen “Hut”.   […]

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