Schutz – Erholung – Erziehung

Interview mit Gerhard Leeb

Gerhard Leeb
Hallo Gerhard, Du wirst als „Tausendsassa“ oder als „Rebell der Alpen“ bezeichnet, manchmal auch Umgangssprachlich „Zündler“, sicherlich in Anlehnung an Deine Alpenfeueraktivität. Außerdem wird Dir nachgesagt. Du bist schwer zu erreichen.
Bitte stell Dich kurz vor?

Das mit der schweren Erreichbarkeit kann so nicht stimmen. Ich bin an sieben Tagen in der Woche…

…von sechs Uhr morgens bis acht Uhr abends am Handy erreichbar, und wer meinen Namen „googelt“ wird bereits auf der ersten Seite neun Möglichkeiten finden (auch unter http://www.alpen-adria-planet.org) meiner „habhaft“ zu werden.
Was den „Werdegang“ betrifft wurde ich 1952 in Bodensdorf am Ossiachersee geboren, kam im Alter von neun Jahren nach Villach und machte mich nach meiner Lehre mit 18 erst einmal auf um für ein paar Jahre Europa (von Skandinavien über Deutschland, Frankreich und Italien) zu erkunden. Mit den Vorfällen rund um die Abstimmung über  Zwentendorf entwickelte sich nach und nach – zu meinem bereits bestehenden und umfassenden Verhältnis zur Natur – eine Art „Widerstandskultur“ zu entwickeln. Es folgten der Kampf um die Nockberge, die Hainburger Au (beide heute Nationalpark) und gegen den Gailtalzubringer in Form der heutigen „Todesstrecke“. Anfang der neunziger Jahre begann ich mich Dobratschfür die, in der Schweiz gestartete Aktion „Feuer in den Alpen“ zu begeistern und entzündete 1995 das erste Feuer am Villacher Hausberg. Der Dobratsch ist für mich bis heute ein Quell der Inspiration geblieben. Dort entstand mein erstes Buch „AlpenFeuer“, dort hatte ich die Idee zum Naturpark und zur „Alpenstadt des Jahres“. Letztere immerhin ein Projekt mit europäischer Dimension. Inzwischen haben bereits zwei französische, vier italienische, zwei Schweizer, zwei deutsche, eine österreichische und eine slowenische Stadt diesen Titel erhalten und setzen die Alpenkonvention in ihrer Kommune um. 2010 kommen Bad Aussee und 2011 Idrija in Slowenien in den Genuss des Titels.
Meine Hauptarbeit besteht derzeit in Form von Bewusstseinsbildung für den Lebensraum durch das Schreiben für eine Kolumme in der Kleinen Zeitung, dem Herausgeben von Natur- und Kulturführern, im Bereich der
Werbegrafik, der künstlerischen Fotografie und der Realisierung von Landart-Projekten.

Beim Naturgarten versuche ich eine Harmonie zwischen Natur und Kultur mit der Fromel: Schutz – Erholung – Erziehung zu erreichen.
Was verstehst Du unter ; „Schutz der Alpen“?

Inzwischen haben mehr als zwanzig Prozent des Alpenbogens einen Schutzstatus. Ein selbst für mich beeindruckender Prozentsatz – auch wenn ich mir 100 Prozent wünsche! Im kommenden Jahrzehnt wird es vor allem darum gehen, die großen Schutzgebiete mit einer Art von „Korridor“ zu verbinden um den Tieren – darunter vor allem den großen Beutegreifern Wolf, Bär und Luchs – die Bewegung innerhalb sicherer Territorien zu ermöglichen. Gleichzeitig muss die Bewusstseinsbildung in Hinblick auf die Klimaveränderung vorangetrieben werden. Fachleute sind nicht nur Meinung, dass sich die Fauna und Flora völlig wandeln wird, auch rund fünfzig Prozent bestehender Siedlungsgebiete könnten von unglaublichen Katastrophen heimgesucht werden. Ein erster Schritt wird sein, dass sich der Wintertourismus sofort völlig aus den Gletscherregionen zurückziehen wird müssen!

Schützen durch „verstehen“ lernen. Am Dobratsch gibt es den einzigen Alpengarten Kärntens.
Wie gefällt Dir diese Art der Naturvermittlung?

Die beste Form des Schützens beginnt beim „Verstehen lernen“! Erfolgreiche Umsetzungsbeispiele sind eben ein „Alpengarten“, ein „Natur-“ oder „Nationalpark“ oder ein „Naturgarten“!
Erst wenn sich in meinem Bewusstsein die Veränderung durchsetzt, dass Insekten für den Planeten wichtigere Arbeit leisten als der Mensch, erst dann kann ich mit einem behutsamen Umgang beginnen. Was meine Generation betrifft habe ich die Hoffnung eigentlich aufgegeben. Deshalb kümmere ich mich und unterstütze in erster Linie schulische Aktivitäten. Wir haben unseren Kindern sowohl in ökologischer als auch in ökonomischer Hinsicht ein schweres Erbe hinterlassen. Helfen wir ihnen dabei damit besser umzugehen.

Schützen durch „nützen“. Die Artenvielfalt der Alpen entstand von Menschenhand, durch traditionelle Nutzung. Wobei diese schwere Arbeit von immer weniger Menschen gemacht wird.
Können wir die wunderschönen Almwiesen erhalten?

Der  Erhalt der Artenvielfalt in den Alpen ist auch zum Teil den Menschen zu verdanken. Bis vor ein, zwei Generationen hat die Natur die Rahmenbedingungen gestellt und der Mensch in seiner bäuerlichen Umgebung hat sich diesen Bedingungen angepasst und „mit der Natur“ gearbeitet. Dann kam der Preisverfall bei den landwirtschaftlichen Produkten, kamen die Chemiekonzere und alles geriet aus dem Rahmen.
Mit den Erfolgen der Biolandwirtschaft – und Bergregionen ist viel Hoffnung entstanden. Wenn aber der Bergbauer sich das Mähen der steilen Hänge nicht mehr leisten kann, dann ist die öffentliche Hand gefordert. Ungemähte Bergwiesen sind nicht nur der Tod für die Artenvielfalt, ungemähte Bergwiesen stellen auch eine Bedrohung für die Talregionen dar. Auf solchen Wiesen steigt die Gefahr der Lawinen- und Murenabgänge. Und den Touristikern ins Stammbuch: „Ungemähte Bergwiesen machen sich auch in ihren Prospekten nicht so gut“!

Schützen durch „züchten“. Michael Machatschek beschreibt in seinem Buch „Nahrhafte Landschaft: Ampfer, Kümmel, Rapunzelgemüse – Speiselaub und andere wiederentdeckte Nutz- und Heilpflanzen. Böhlau Verlag, Wien 1999“, von ihm benannte Wildgärten. Ein Beispiel die „Wald-Geißbart-Gärten“ in Südtirol.
Könnte das eine Möglichkeit sein, die Vielfalt der Alpen zu erhalten?

Es gibt viel gute Ansätze für eine neue Zukunft in den Alpen. Naturgärten, Kräuter- und Wildpflanzenzucht, Permakulturen und vieles mehr. Wichtig dabei ist aber, unabhängig von der Idee, dass es das Schaffen tausender kleiner Einheiten geht und dass sich nicht alles wieder zu Plantagen ausartet.
Und gerade die Berglandschaft erfordert an den verschiedenen Orten unterschiedlichste Ideen und Konzepte. Die erfolgreichsten sind immer jene, die aus den Menschen in der Region und aus der Landschaft heraus geboren werden. Zumeist finden sich welche – dabei gilt es nur „das Gehirn einzuschalten“ – die unsere Vorfahren an diesem oder jenem Ort bereits praktiziert haben. Wie beispielsweise das Lesachtaler oder Villgrater Lamm, der Genepy-Schnaps aus dem Hause Ubaye oder der Speik aus den Niederen Tauern.
Niemand ist gezwungen „das Rad neu zu erfinden“! Es ist alles, für eine nachhaltige Entwicklung in den Bergen vorhanden.

Wertschöpfung und Naturschutz, die letzte Frage. Damit sage ich auch schon Danke.
Ein Tipp…?

Es gibt inzwischen genug seriöse Berechnungen dass der Schutz der Natur – in Hinblick auf die Folgen der Klimaveränderungen – bei den Kosten im Promillebereich anzusiedeln ist. Dass heißt, dass jeder Quadratmeter Natur den ich schütze oder mit dem ich nachhaltig umgehe, tausende Euro an Kosten die bei Umweltschäden anfallen, erspart.
Ein Berghang der nicht mehr gemäht wird verhindert beispielsweise dass eine Straße, die mit Millionenaufwand errichtet wurde, auch in Zukunft passierbar sein wird. Der Schutz und die Pflege einer Landschaft um einen Stausee bringt den Betreibern bis zu dreißig Prozent mehr an Wertschöpfung bei der Energieausbeute.

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