„Naturgarten“ als Begriff möchte etwas bezeichnen. Als Bezeichnung möchte er etwas begreiflicher machen. Das Wort Naturgarten steht also für die Möglichkeit, etwas zu begreifen, etwas mit allen Sinnen und den damit assoziierten Kenntnissen, Gedanken, Erfahrungen und Gefühlen einen Ausdruck zu verleihen.
Koch Andreas, Prof. Dr.
Lehrt und forscht als Sozialgeograph. Seine Interessen liegen in den Bereichen der raumbezogenen Identitätsbildung, dem Einfluss von Informationens- und Kommunikationstechnolgien auf alltägliche Handlungen und den Möglichkeiten der Modellierung und Visualisierung von Raumprozessen.
Kontakt: Deoartment für Geographie und Geologie Universität Salzburg, Hellbrungerstraße 34, 5020 Salzburg, Tel. 0662/80445246, andreas.koch@sgb.ac.at, http://www.sbg.ac.at
„Naturgarten“ als Begriff ist zugleich und zunächst aber einmal abstrakt, es stellt sich sodann die Frage, wie eine Übersetzug, die jene Assoziationen und Wahrnehmungen konkret werden lässt, gelingen kann? Vilem Fluser (1998) liefert hierfür mit seinen kommunikativen Übersetzungsmodi eine anschauliche Idee, indem er davon spricht, dass Texte auf Bilder verweisen, die ihreseits auf „Welt“ verweisen (und „Welt“ allgemein das ist, was uns umgibt).
Mit dieser Idee erhalten wir zunächst eine Antwort auf unsere Frage. Man kann über einen Naturgarten schreiben, ihn erzählend erschließen. Oder man macht sich ein Bild vom Begriff des Naturgartens, indem man ein Foto, eine Karte, ein Gemälde oder ein Luft, oder Satellitenbild betrachtet. Beide Übersetzungsvarianten haben dabei ihre Vorzüge und Einschränkungen.
Erzählend erschließen bedeutet, alle subjektiv für relevant erachteten Wahrnehmungen aud Assoziationen sequentiell – also Satz für Satz – darzulegen. Auf diese Weise können Zusammenhänge zwischen den Bestandteilen und Eigenschaften eines Naturgartens explizit hergestellt werden, allerdings um den Preis, nicht gleichzeitig das in den Blick zu nehmen, was mit dem Begriff als Intention transportiert wird. Bildlich erschließen bedeutet umgekehrt somit, die Phänomene, Bestandteile und Objekte, die einen Naturgarten auszeichnen, unmittelbar visuell wahrzunehmen, allerdings um den Preis, die Zusammenhänge, die zwischen den Phänomenen, Bestandteilen und Objekten existieren, zu vernachlässigen.
Beide Übersetzungsmodi – Sprache und Bild – gehen nun, in der Logik der Kommunikation gedacht, von derselben Ausgangsüberlegung aus, die sich systemtheoretisch folgendermaßen auf den Punkt bringen lässt: Am Anfang war nicht das Wort, sondern die Unterscheidung! Treffe eine Unterscheidung und bezeichne die eine Seite der getroffenen Unterscheidung, die andere Seite lasse unbestimmt! Der bezeichnete Unterschied ist das System, das Gegenstück die Umwelt. Der Naturgarten als System – wozu?
Dirk Baecker (2002) hat auf die allgemeine Frage, „Wozu Systeme?, eine passende Antwort: „Systeme ordnen, für einen Beobachter, den Zusammenhang von Freiheit, Blindheit und Abhängingkeit: Systeme sind frei in der Setzung ihrer Ausgangsnterscheidung; blind für die Folgen; und für den Erfolg dieser Setzung abhänging von allem, was sie ausschließen.“ Baecker hat heir zwar soziale Systeme gemeint, aber als Metapher passt die Assoziation „Naturgarten als System“ doch recht gut. Das, was einen Naturgarten wie den hier behandelten Keutschacher Steinbruch als Naturgartensystem kennzeichnet, ist von den Initiatoren des Projekts frei entwickelt worden und nicht a pirori determiniert. Sie verbinden bestimmte Ziele und Bedürfnisse mit diesem „System“ und schließen anderer damit aus. Um etwas auszuschließen ist erfolgsentscheidender als alles Mögliche einzuschließen.
Aber auch als Metonymie ist die Vorstellung von „Naturgarten als System“ treffend. Mit der Zusammenführung von „Natur“ und „Garten“ wird mit einem Wort das verständlich, was eigentlich nicht begreifbar ist – Natur als abstrakte Einheit, mit koplexen ökologischen Bezeichnungen und dynamischen Wechselwirkungen wird über den Begriff des Gartens räumlich begrenzbar und auf diese Weise spezifisch und konkret erfahrbar gemacht.
Zwei weitere Redefiguren lassen sich meines Erachtens in dem Wort Naturgarten erkennen: In einem ursprünglichen Sinne handelt es sich um ein Oxymoron, denn „Natur“ als das Unberührte, Künstliche, schließen sich eingentlich logisch aus. Da wir aber bekanntermaßen in einer globalisierten Welt leben, in der es vom Menschen unberührte Naturlandschaften im eingentlichen Sinn fast nicht mehr gibt, könnte man im Gegenteil auch von einem Pleonasmus sprechen: Jeder Garten impliziert Natur und (mit wenigen Ausnahmen) greift der Mensch gestaltend in Naturräume ein, wenngleich auch nicht immer auf eine gärtnerische Art und Weise.
Kehren wir abschließend noch einmal an den Anfanf zurück. Der Begriff Naturgarten bezieht sich in Sprache und (Karten-)Bild auf Raum. Und Raum kann, ganz im Sinne des eben Gesagten, in seiner semantischen Bedeutung oder auf dem Wege eines Raummodells erschlossen werden, wie ich dies einmal für den Versuch einer Simulationsmodellierung dargestellt habe (Koch, 2003).
Dagmar Reichert (1997) hat einmal sehr treffend das „räumliche Denke als Ordnen der Dinge“ bezeichnet, welches durch Erzählen oder Kartieren repräsentiert werden kann. Ihre Präferenz damals lag auf der Erzählung, weil bei dieser Form des räumlichen Denkens die ordnende Person selbst vorkommt, da Erzählen immer auch das Moment der persönlichen Erfahrung mit einschließt.
Bei der Kartierung würde man demgegenüber gleichsam objektiv, unpersönlich und unsichtar, „über der Welt“ schweben. Mit den interaktiven Möglichkeiten, die heutige Earth Viewer wie zum Beispiel Google Earth zur Verfügung stellen, glaube ich, lässt sich diese supjektive Prägung von Sprache auch im Kartenbild adäquat abbilden und damit die Möglcihkeit realisieren, die Vorzüge beider Übersetzungsmodi mulitmedial zu integrieren – eine auch hier spannende Herausforderung angesichts des faszinierenden und schillernden Begriffs vom Naturgarten, den jeder von uns auf ganz persönliche Weise interpretiert und wir gleichzeitig doch zu wissen glauben, was jeder von uns damit meint.
Diesen Beitrag entnahm ich aus dem Buch „Das Herz von Kärnten – Vom Steinbruch zur Naturgartenvision“ und wurde vom Autor auch für dieses Blog freigegeben.
Am 16. Dezember 2009 von Albert
Kategorie: Autor(inn)enbeitrag, Geschichte, Marke, die - der Entwicklungsweg
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