Sebastian Kneipp lebte von 1821 bis 1897, also in einer Zeit, in der es noch keine Krankenversicherung gab, die medizinische Betreuung für arme Leute zu teuer war und die Heilkraft der Natur und die genaue Kenntnis der zu verwendenden Heilmittel darüber entschied, ob man eine Krankheit erfolgreich kurieren konnte oder nicht.
Ruth Waltraud, Mag.
Geboren 1955 in Eisenerz, Studium der Germanistik und Geschichte in Graz. Seit 1980 beim österreichischen Kneippbund beschäftigt, von 1985 bis 2007 Leiterin des Kneipp-Verlags, seit 2007 im Kneippbund für die Redaktion der Zeitung und für das Projekt Schlank-mit-Kneipp zuständig, somit mit Marketing- und Fortbildungsaufgaben befasst.
Credo: Die Kneipp-Aktiv-Clubs leisten viel Positives für die Gesundheit der Menschen. Kneipp umfasst nicht nur als moderne , ganzheitlich ausgerichtete Naturheilkunde die weithin bekannten Wasseranwendungen, sondern ist eine positive Lebenseinstellung, die hilft, Krisen sowohl im gesundheitlichen als auch im seelischen bereich im festen Glauben an den Sinn des Daseins besser zu bestehen.
Achtung und Respekt vor der Natur war den Menschen in die Wiege gelegt. Die Heilmittel der Natur wurden von einer Generation an die anderen weitergegeben, die Kinder lernten von ihren Müttern. Der Garten war nicht nur ein Ort der Erholung, sondern wurde dazu genützt, Heilpflanzen und Nahrungsmittel für die Familie zu produzieren.
Vom Webersohn zu den Kneippvereinen
Als Sohn armer Weber wurde Sebastian 1821 in Stephansried im Allgäu geboren. Mit unermüdlichem Fleiß errang er neben dem anstrengenden Tagwerk ein Stipendium für das Priesterseminar. Seine Gesundheit war jedoch angegriffen und so gefasste er sich intensiv mit den Wasseranwendungen des Dr. Hahn. Kneipp konnte sich mit Tauchbädern in der eiskalten Donau von seinem schweren Lungenleiden kurieren.
Später, als Pfarrer in Bad Wörishofen, lag ihm in erster Linie die Seele seiner Mitmenschen am Herzen, aber er konnte seine Augen auch vor der körperlichen Not nicht verschließen. Die Wirkungen der Heilpflanzen waren ihm von seiner Mutter wohl bekannt und die bedeutung von kräftigender Ernährung, Bewegung und Lebensordnung erfasste er mit seiner besonderen Beobachtungsgabe sehr bald. Er erstellte ein umfassendes Therapie- und Gesundheitskonzept- das auch heute noch in weiten Teilen vollkommen richtig ist – und ließ seine berühmten Wasserbehandlungen den vielen Menschen, die nach Bad Wörishofen pilgerten, zugute kommen. Pfarrer Kneipp gründete die ersten Kneippvereine, um sein Konzept für die nachfolgenden Generationen zu erhalten.
Gegründet wurden die ersten Kneippvereine (heute heißen sie Kneipp-Aktiv-Clubs) vor mehr als 115 Jahren, nachdem Vorträge von Sebastian Kneipp mit frenetischem Beifall aufgemommen worden waren: Linz, Graz, Wien und Innsbruck im Jahr 1892, danach Steyr und Salzburg. 1897 konstituierten sich im Juni, nach dem Tod Sebastian Kneipps, 45 Kneippvereine zu einer Aktionsgemeinschaft. Während der NS-Zeit hörte der Kneippbund auf zu existieren und wurde 1949 von Wien aus wieder gegründet und aufgebaut. Die Begeisterung, die Sebastian Kneipp bei den Leuten hervorrief, beschrieb am schönsten der steirische Dichter Peter Rosegger (1853-1918): “ Am 26. April 1892 war die Bevölkerung in Graz in außerordentlicher Bewegung. Eine Volkerwanderung setzte ein, hinaus zur Industriehalle, die an die 3000 Personen fasste, um pfarrer Kneipp sprechen zu hören. Groß war die Erwartung des Publikums. Publikums? Nein, zum Propheten kommt nicht das Publikum, sondern das ganze Volk…“
Sebastian Kneipps ganzheitliche natürliche Methode
Sebastian Kneipp beobachtete aber nicht nur den Menschen, sondern richtete sein Augenmerk auch immer wieder auf die Natur: „Was im Sonnenlicht aufwäschst, entwickelt sich gesund, kräftig und vollständig“, sagte er und übertrug seine Beobachtungen der Natur auch auf die Menschen, denen er empfahl, möglichst oft ins Freie zu gehen, Sonne, Licht, Luft und das Wasser zu genießen.
Ein Naturgarten im Sinne Kneipps sollte also hell und sonnig sein, Wasser sollte da sein, zum Wassertreten oder auch für ein kaltes Armbad, eine Wiese zum Barfußgehen und Tautreten (Tautropfen) am Morgen, ein Weg mit glatten runden Kieselsteinen, die beim Drüberlaufen über die Fußrefelxzonen den ganzen Körper anregen und positiv beeinflussen.
Ganz wesentlich im Sinne Sebastian Kneipps ist die Ganzheitlichkeit. Nur wenn man alle „Kneipp-Säulen“ beachtet, wird man die optimale Wirkung erreichen. Kneipp erkannte frühzeitig, dass die einzelnen Bereiche sich ergänzen, in der Wirkung verstärken, erst den wirklichen Erfolg eines Gesundheits- und Therapiekonzepts ausmachen: Heilkräuter, Wasser, gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung und vor allem die Lebensordnung sind nach Kneipp die Vorbedingungen für die Erhaltung der Gesundheit.
Das natürliche Kneipp-Konzept im Garten
Der ganzheitlichen Sichtweise des Kneippkonzepts sollte ein Naturgarten Rechnung tragen.
HEILKRÄUTER
Ein Naturgarten im Sinne Kneipps umfasst einen Heilkräutergarten, in dem eine Auswahl der wichtigsten von Sebastian Kneipp verwendeten Heilpflanzen wachsen:
Aloe, Angelika, Anis, Gänseingerkraut, Arnika, Attich, Augentrost, Baldrian, Bitterklee, Bockshornklee, Brennessel, Dornschlehblüten, Eibisch, Eichenrinde, Gelber Enzian, Erdbeere, Fenchel, Hafer, Hagebutten, Heidelbeere, Schwarzer Holunder, Huflattich, Johanniskraut, Kamille, Kümmel, Lavendel, Speik, Leinsamen, Lindenblüten, Lungenkraut, Malve, Pfefferminze, Mistel, Raute, Rosmarin, Salbei, Schafgarbe, Schlüsselblume, Spitzwegrich, Tausendguldenkraut, Veilchen, Wacholderbeere, Waldmeister, Vogelknöterich, Wegwarte, Wermut, Wollkraut, Zinnkraut.
Sebastian Kneipp stellte die Heilpflanzen zu einer „Hausapotheke“ zusammen, die für die wichtigsten Unpässlichkeiten die passenden Zubereitungen enthielt: Als Zubereitungen empfahl er Tinkturen, Tees, Pulver und Öle.
Weltberühmt wurde Sebatian Kneipp durch seine Wasseranwendungen, die er jedoch nciht erfanf, sondern Dank seiner feinen Beobachtungsgabe in ein gut dosierbares System brachte und damit von ihm beabsichtigte Wirkungen erzielte. Er selbst aber maß den Heilkräutern die noch größere Bedeutung bei und sagte: „Die Wasseranwendungen reduzieren, vereinfachen und die Zeit des Gebrauchs abkürzen. Solches kann geschehen, wenn ich der äußeren Kur (mit Wasser) durch eine innere Kur (mit Heilpflanzen) in die Hand arbeite.“
Und weiter sagte er: „Fast alle meiner Tees und Extrakte, Öle und Pulver rühren von spottbilligen Heilkräutern her, welche der liebe Herrgott im eigenen Garten wachsen lässt.“
WASSER
Fast alle Menschen verbinden Sebastian Kneipp mit kaltem Wasser. Dass die Kneippanwendungen nur zum kleinen Teil „kalt“ sind, sondern viele Anwendungen den Wechsel von kaltem und warmen Wasser empfehlen, sei besonders hervorgehoben. Sebastian Kneipp selbst lernte die Wasseranwendungen kennen, als ihm, bedingt durch seinen schlechten Gesundheitszustand, sein Lebenstraum in weiter Ferne gerückt schien – es war ihm nicht mehr möglich, sein Studium fortzusetzen.
Erst durch die Tauchbäder in der eiskalten Donau bei Dillingen kam er wieder zu Kräften. Daraufhin meinte er: „Das Wasser, im Besonderen unsere Wasserkur, heilt überhaupt alle heilbaren Krankheiten, denn ihre verschiedenen Wasseranwendungen zielen darauf ab, die Wurzeln der Krankheiten auszuheben. Auflösen, ausleiten, kräftigen – diese drei Eigenschaften des Wassers genügen!“
Heute wird man keine so absoluten Aussagen treffen, die moderne Medizin hat viel weitere und bessere Möglichkeiten zu heilen als zu Zeiten Kneipps, außerdem bringt das moderne Gesundheitswesen alle Menschen in Genuss bester medizinischer Betreuung. Das war zu Zeiten Kneipps nicht so. Da war die richtige Anwendung des Kneipp-Konzepts für die Menschen ein Rettungsanker, und Tausende pilgerten zu seiner Wirkungsstätte nach Bad Wörishofen, weil sie von Kneipp Heilung erhofften.
Heute ist die Wirkung kalter Wasseranwendungen als Reiztherapie schulmedizinisch anerkannt und es gibt zahlreiche Studien, die diese Wirksamkeit belegen. Den größten Vorteil aber bietet das Kneipp-Konzept als Regulationstherapie, um durch Stress, Überforderung und andere Einflüsse gestörte Regelkreise wieder ins Lot zu bringen. Gerade dort, wo die „Schulmedizin“ kein umfassendes Konzept anbieten kann, im Bereich sogenannter Zivilisationskrankheiten, mit einem modernen Schlagwort als „metabolisches Syndrom“ zusammen gefasst, hat Kneipp die größte Bedeutung, geht es doch darum, langfristig den Lebenstil gesundheitsorientiert zu gestalten.
Doch zurück zum Naturgarten. Ein fließendes Gewässer, das zum Wassertreten geeignet ist, also knapp bis unter die Knie reicht, ist das „Herz“ eines Naturgartens nach Kneipp.
Folgende Regeln sind beim Wassertreten zu beachten: Nur mit warmen Beinen ins kalte Wasser! Immer ein Bein ganz aus dem Wasser ziehen, also im Storchenschritt gehen. Etwas 30 Sekunden bis maximal 2 Minuten dauert diese einfache, wohltuende Kneippanwendung. Danach trocknet man nicht ab, sndern läuft sich barfuß warm. Es gibt keine bessere Anwendung für die Venen! Am Abend hilft das Wassertretten beim Einschlafen, am Morgen macht es munter, tagsüber macht es müde, schwere Beine wieder fit. Die einzige Gegenindikation: Bei Harnwegsinfekten und Unterleibserkrankungen ist diese Anwendung ungeeignet.
Bei allen Wasseranwendungen nach Kneipp gilt: Kaltanwendungen nur mit warmen Körper. Nach der Kaltanwendung für Wiedererwärmung sorgen – durch Bewegung, geeignete Kleidung (z.B. Wollsocken) oder bei großen Anwendungen durch Bettwärme.
Die richtige Ausführung der Kneippanwendung lernt man beim Österreichischen Kneippbund und seinen 200 Kneipp- Aktiv-Clubs: http://www.kneippbund.at
ERNÄHRUNG
Sebastian Kneipp war Verfechter einer gemischten Kost, wobei er Obst, Gemüse und Getreide den Vorzug gab. Vor allem frisches Obst, „am zuträglichsten und besten im ungekochten Zustande“ (Rohkost) empfahl Kneipp besonders. Seine Ernährungsratschläge sind in allen wesentlichen Punkten heute noch aktuell und entsprechen den modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen Sebastian Kneipp hatte durch gute Beobachtungsgabe, was den Menschen bekommt und was nicht, Ratschläge gegeben, die mehr als 150 Jahre später noch Gültigkeit haben!
Was bedeutet das für den Naturgarten? Wo immer es möglichst ist, wird man Obst, Beeren und Gemüse pflanzen, damit es möglichst frisch genossen werden kann!
BEWEGUNG
Sebastina Kneipp stand öfter vor dem Problem, dass die Menschen harte körperliche Arbeit zu verrichten und gleichzeitig zu wenig Nahrhaftes zu essen hatten. Sport als Ausgleich zur sitzenden Tätigkeit im Büro, Sport zur Kompensation von ungesundem Stress hat erst in unserer Zeit so große Bedeutung erlangt. Geradezu visionär mutet daher die Aussage Sebastian Kneipps an: „Wer nicht täglich eine Weile Zeit findet, sich dem Training seines Körpers zu widmen, wird später Zeit haben müssen, die daraus resultierenden Krankheiten zu erdulden.“
Kneipp nahm es mit seinen Worten schon vorweg: Es gibt kein besseres „Rezept“ für die Gesundheit als regelmäßige Bewegung!
Im Naturgarten hat man viele Möglichkeiten, auch die Säule „Bewegung“ zu berücksichtigen. Von genau albgemessenen Laufstrecken, um die Verbesserung der Fitness dokumentieren zu können bis zu natürlichen „Sportgeräten“ für Kraft- und Koordinationsübungen reicht die Palette der Ideen.
LEBENSORDNUNG
„Erst als ich Ordnung in den Seelen meiner Patienten brachte, besserten sich auch die körperlichen Gebrechen“, diese Erkenntnis von Sebastian Kneipp findet man in der modernen psychosomatischen Medizin wieder. Gerade die ordneden Elemente des Kneippkonzepts machen den wesentlcihen ganzheitlichen Aspekt aus. Wir finden sie in erster Linie in den Wasseranwendungen, die eine Reizantwort des Körpers in einem bestimmten Zeitrahmen auslösen.
Auch den Heilkräuteranwendungen, der gesunden vollwertigen Ernährung und der regelmäßigen Bewegung liegen ordnende Elemente zugrunde, die sich gegenseitig verstärken und insgesamt dazu führen, ruhiger und gelassener den Anforderungen des Alltags gerecht zu werden.
Für viele Menschen ist der Garten der Inbegriff von Erholung und Entspannung. Ein Naturgarten bedeutet aber mehr als das, er bedeutet, sich den Gesetzmäßigkeiten der Natur zu unterwerfen, den natürlichen Rhythmus des Lebens immer wieder aufs Neue zu erleben und entspricht dadurch in einzigartiger Weise der Lebensordnung nach Sebastian Kneipp.
Diesen Beitrag entnahm ich aus dem Buch „Das Herz von Kärnten – Vom Steinbruch zur Naturgartenvision“ und wurde von der Autorin auch für dieses Blog freigegeben.
Am 28. Februar 2010 von Albert
Kategorie: Autor(inn)enbeitrag, Energethik, Harmonie, Kräuter, Kulinarik, Marke, die - der Entwicklungsweg, NaturLandgarten, NaturWassergarten, Schule, Spiritualität, Stil - Lebensstil, Therapie
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